Louise
Roman musical in vier Akten und fünf Bildern von Gustave Charpentier
Paris, das ist mehr als eine Stadt. Für die Titelheldin von Charpentiers Großstadtmärchen Louise ist die Seine-Metropole ein großer Traum von Freiheit und Glück. Dieser Traum, befeuert durch ihre Liebe für den charismatischen Bohème-Künstler Julien, bringt die junge Frau jedoch in Konflikt mit ihren Eltern. Als Tochter hart arbeitender, „kleiner“ Leute erlebt sie die Verhältnisse zu Hause zunehmend als bedrückend und eng, ist darin aber gleichzeitig zutiefst verwurzelt. Der wagemutige Julien und der inspirierende Ruf von Paris verlangen nach einer Entscheidung. Wird Louise den Schritt in ein neues Leben wagen?
Gustave Charpentier gelang mit seiner Oper aus dem Jahr 1900 ein eindringliches Seelendrama und zugleich ein liebevolles Porträt des Montmartre, wo die Armen, die Kleinbürger und die Bohème-Künstler aufeinandertreffen. Dank der hochemotionalen Musik wurde das Werk zum Sensationserfolg. Regisseurin Rahel Thiel, die nach ihrer vielbeachteten Inszenierung von Bohuslav Martinůs Die drei Wünsche erneut an der Oper Chemnitz arbeitet, taucht tief in die innere Welt der Louise ein.
Einen Auszug aus einem Interview mit Rahel Thiel zu ihrer Inszenierung finden Sie hier.
Paula Kühnrich
Stimmen
Besitzdenken und Glücksstreben
Roland Dippel | Die Deutsche Bühne | 09.02.2025
Der gebürtige Chemnitzer Maximilian Otto reizte mit der Robert-Schumann-Philharmonie in der offenen Akustik des Opernhauses die brillante Dynamik und Dramatik des um 1900 eigenwillig dastehenden `musikalischen Romans` aus. Er bevorzugte das strahlende Licht der Blechbläser mehr als die ebenfalls in der Musik steckende Streicherdämmern. Damit passte sein Dirigat gut zur glasklaren Diagnostik der Figuren durch Rahel Thiel. […] Als Darstellerin gestaltet Dopheide Louises Fluchtenergien, das Innehalten und die Zweifel beeindruckend. Der Julien von Daniel Pataky ist ein betörend und kraftvoll singender Bilderbuch-Bohémien mit nobler Haltung, Eloquenz und kluger Emphase. […] Thomas Kiechle und Etienne Walch agieren an der Spitze eines Ensembles mit perfekt besetzten Nebenpartien. […] Die Bühne von Volker Thiele und die Kostüme von Rebekka Dornhege Reyes haben trotz des Prospekts mit einer der Straße hinauf zu Basilika Sacré-Cœur eine von Sinnlichkeit weit entfernte Strenge.
Das Proletariat ist bühnenfähig
Gerald Felber | FAZ | 12.02.2025
Die Chemnitzer-Aufführung zeigte, dass sich dieses […] `One-Hit-Wonder` mit seiner charaktervollen Instrumentation und den vielschichtigen Ensemblesätzen keineswegs hinter den repertoirebildenden Leitwerken der Jahrhundertwende von Giacomo Puccini, Claude Debussy oder Richard Strauss verstecken muss […] Die farbkräftige, in den Boheme-Bildern bis ans Karikaturistische streifende Robert-Schumann-Philharmonie und die vitalen Chöre zwischen sechs und sechzig (Einstudierung: Konrad Schöbel) waren dafür unter der hochdifferenzierten, auf schnelle Stimmungsumschläge wie post-wagnersche Langbögen gleich einfühlsam eingehenden Leitung des Dirigenten Maximilian Otto sehr gute Anwälte […] Gleiches gilt für die Protagonisten […] Elisabeth Dopheides Verkörperung […] war eine hoch beeindruckende, erinnerungsträchtige Leistung: fähig zum Zärtlichen wie Grellen, stabil im Fortissimo, besonders mitreißend in manchen Mezza-Voce-Passagen träumerisch-zärtlichen Versinkens.
Richtig gut, doch unbekannt
Jens Daniel Schubert | Sächsische Zeitung | 09.02.2025
Als erste Premiere im Kulturhauptstadtjahr brachte die Oper Chemnitz das selten gespielte Werk `Louise` von Gustave Charpentier auf die Bühne. Mit der stimmungsreich musizierten, gefühlvollen Musik, einem ebenso schönen wie sinnigen Bühnenbild und einer überzeugend umgesetzten, eigenwillig heutigen Inszenierung war die Premiere ein würdiger Auftakt, der langanhaltend vom Publikum gefeiert wurde.[…] Das Bühnenbild von Volker Thiele und die Kostüme von Rebekka Dornhege Reyes verzichten auf eine soziale Verortung im Proletariat Anfang des 20. Jahrhunderts, […] das Inszenierungsteam [interssiert sich] für die Schnittstelle von Realität und Fiktion, von Traum und Wirklichkeit. […] Unter dem jungen Chemnitzer Kapellmeister Maximilian Otto entfaltet die reiche Partitur Charpentiers eine Fülle von Klangfarben und setzt dramatische Impulse. Die Robert-Schumann-Philharmonie, Opern-, Kinder- und Jungendchor, das riesige Solistenensemble […] sowie die Protagonisten folgen seiner Leitung zu einer überzeugenden, stimmungsvollen Gesamtwirkung. In der Titelpartie glänzt Elisabeth Dopheide, […] mit schönen Tönen gibt Daniel Pataky den Dichter Julien […] Rahel Thiel und ihr Team gehen mit dieser Interpretation offensichtlich weit über die Intentionen des Komponisten hinaus. Die schlüssige Interpretation gibt dem Werk damit eine Dimension, die es zu spannendem Musiktheater werden lässt. `Louise` ist mehr als die Wiederentdeckung einer mitreißenden Musik.
Seelische Abgründe in der Stadt der Liebe: Chemnitz entdeckt mit „Louise“ eine Rarität
Michael Ernst | Neue Musikzeitung | 10.02.2025
Regisseurin Rahel Thiel hat aus diesem bei Charpentier vor allem auf soziale Konflikte zielenden Roman musical ein szenisches Psychogramm komponiert […] `Louise` kann durchaus als französische Antwort auf Italiens Verismo gesehen werden, in Chemnitz entsteht daraus der Eindruck des späten Neorealismo, denn eine sehr puristische, kühle Wohnsituation wird mit Kostümen wie aus Filmen der 50er und 60er Jahre kombiniert. Bühnenbildner Volker Thiele hat als Kontrast dazu Pariser Panoramen gesetzt […] Kostümbilderin Rebekka Dornhege Reyes kleidete die zahlreichen Sänger-Darsteller passend dazu in nüchterne Roben. […] Elisabeth Dopheide als Louise gestaltete ihren Part aber sehr hübsch im Spagat zwischen heiß und innig verliebt und bestraftes, schmollendes Mädchen. Ihr flexibler Sopran klang mit kraftvollen ebenso wie mit leisen Tönen in manchen Lagen metallisch schattiert. […] Maximilian Otto und die Robert-Schumann-Philharmonie, die Chöre sowie alle Solisten sind da ganz drin aufgegangen, haben fabelhaft geklungen und auch manch straffere Tempi umgesetzt. Was im Ergebnis für ein rundum begeistertes Premierenpublikum in der Kulturhauptstadt gesorgt hat.
Labor einer Familienhölle
Roland Dippel | Concerti.de | 09.02.2025
Insgesamt [ein] berauschender Premierenabend mit mehr Kanten als Parfüm, mehr Analyse als wahrer Liebe und vielen unerfüllbaren Träumen vom Glück. Im Vergleich zu den letzten Inszenierungen von John Dew in Dortmund und Christof Loy an der Deutschen Oper am Rhein zeigt Louise bei [Rahel] Thiel viel mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, wenn auch nur in Seelenprotokollen und Tagträumen. […] Utopisches Moment in dieser Arbeit sind drei exponierte Nebenrollen: […]Thomas Kiechle als hier wie in den meisten `Louise`-Vorstellungen etwas prominenter besetzter Nachtschwärmer und Narrenkönig, Felix Rohleder als Lumpensammler und Vaterstimme, und Etienne Walch als androgyne Traumfigur […] Das Publikum war begeistert von dieser alterslosen Oper, die jetzt weitaus moderner wirkt als andere explizit um Fortschritt bemühte Kompositionen der Entstehungszeit.
Was nützt die Sehnsucht in Gedanken?
Sarah Hofmann | Freie Presse | 09.02.2025
Die Chemnitzer Inszenierung der Oper von Rahel Thiel, […] lässt die wunderbar und treffend besetzte Elisabeth Dopheide als titelgebende Louise an der Schreibmaschine träumen. Sie ist verliebt in Julien, verkörpert von Daniel Pataky, der den dunklen Galan, das Traumbild von Louises Sehnen, mit eindrucksvollem Tenor singt. […] Unter der musikalischen Leitung von Maximilian Otto geben die Robert-Schumann-Philharmonie, der Opernchor und der Kinder- und Jugendchor der Chemnitzer Theater, sowie ein bestens aufgelegtes und abgestimmtes Ensemble von Solistinnen und Solisten der Handlung Tiefe. Eine überaus gelungene Inszenierung, die heute noch immer aktuell scheint, haben sich die Probleme und Gefühlslagen von Heranwachsenden seitdem kaum geändert. Damals wie heute zieht es Menschen aus dem bürgerlichen Trott hin zu Freiheit und Rausch. Die Oper nimmt in ganzer Tiefe ernst - zeigt aber auch die Schattenseiten.
Grandiose Aufführung von Gustave Charpentiers Louise in Chemnitz
Michael Oehme | Pizzicato.lu | 11.02.2025
Louise in Chemnitz in der Inszenierung von Rahel Thiel ist weniger ein Spiegelbild von Paris als ein Generationendrama von ungebrochener Aktualität. Dargestellt und durchweg ausgezeichnet gesungen wird es an erster Stelle von Elisabeth Dopheide in der Titelrolle, mit zwar dramatischem, aber immer schön klingendem Sopran und entsprechend der Zuspitzung der Handlung immer größerer Strahlkraft. […] Julien, ihren Geliebten verkörpert Daniel Pataky. Mühelos und leuchtend bewältigt er die immens vielen Spitzentöne, die in dieser Rolle gefordert sind. […] Paula Meisingers schöner, ausdrucksintensiver wirklicher Mezzo bildet den richtigen klanglichen Gegensatz zu Louise. […] Thomas Essls nobler und zugleich dramatischer Bariton kann sowohl die liebevollen als auch die aufbrausenden Seiten des Vaters von Louise erfassen. […] Unter [Maximilian Ottos] Leitung steuert das technisch und musikalisch hochversierte Orchester makellos durch diese anspruchsvolle, opulente und mit immer neuen Überraschungen aufwartende Partitur. Es kommt zu betörenden Klangfarben und Klangausbrüchen.