Witness
Tanzstück von May Zarhy (UA)
Witness ist eine Studioperformance für sechs Tänzer:innen und eine Stimme. Nach den beiden vorangegangenen Stücken Ausencia (2021) und Presencia (2023) befasst sich dieses Werk von May Zarhy mit der Beziehung zwischen Tanz-Bewegung und Erinnerung.
Die Praxis des Tanzes erfordert die Wiederholung von Sequenzen. Dabei geht es weder um mechanische noch zwanghafte oder unfreiwillige Bewegungen, sondern um die Feinabstimmung und das Erreichen von Präzision durch Tun, Fühlen und Analysieren. Dies ist das eigentliche Handwerk der Tänzerinnen und Tänzer.
Witness beginnt mit einer flüsternden Stimme, die vorschlägt, die Gedanken des Publikums beim Betrachten des Stücks zu begleiten. Danach wird die Praxis des Probens in einer sich wiederholenden Sequenz als strukturelle Grundlage für das Stück festgelegt. Das Verhältnis zwischen Denken und Tun – eine Absicht zu haben und durch den eigenen Körper zu spüren – spiegelt sich dann sowohl in den Rollen des Publikums als auch in denen der Tanzenden wider.
Zarhy legt den Grundstein, um tiefergehende Fragen zur Handlungsfähigkeit des Publikums zu stellen. Die Rolle der Zuschauenden gilt als wesentlichen Bestandteil, weil das Stück ansonsten nur eine weitere Probe bleiben könnte. Und welche Rolle spielen sie als Zeugen in einem performativen Umfeld, aber auch in jedem anderen Kontext des Lebens?
In einem bestimmten Moment fragt der Flüsterer: „Wenn dieses Stück nächste Woche gezeigt wird, wirst du nicht mehr da sein. Wird es ein anderes Stück sein?“ Witness ist, wie jedes andere Stück auch, das Zeugnis eines Prozesses. Es dokumentiert einen bestimmten Moment in der Zeit, mit den Tanzenden, dem Publikum und dem Ort, an dem es stattfindet. Es ist ein Momentdokument, das sich in der Wahrnehmung und Vorstellung des Betrachters abspielt.
Nach Anthony Missen, Peter Svenzon, Samuel Mathieu, Sebastian Kloborg und Yaron Shamir ist May Zarhy nun die erste Choreografin innerhalb der Showcase-Reihe.