Spielplan
WENN MICH EINER FRAGTE...
Der Schriftsteller, Politiker und Publizist Stefan Heym wurde 1913 als Helmut Flieg in Chemnitz geboren. Wegen der Veröffentlichung eines antimilitaristischen Gedichts flog er vom Gymnasium, musste Chemnitz verlassen und floh 1933 vor den Nazis nach Prag, wo er sich sein Pseudonym Stefan Heym zulegte. 1935 emigrierte er in die USA und begann als Schriftsteller, Journalist und Redakteur zu arbeiten. Als Soldat der U.S. Army kehrte Heym 1945 auf der Suche nach dem Grab seines Vaters erstmals wieder in das zerbombte Chemnitz zurück und übersiedelte Anfang der 50er Jahre in Folge der McCarthy-Ära schließlich nach Ostberlin, wo er bis zu seinem Tod 2001 lebte.
In der DDR zunächst als Verfechter des Sozialismus gefeiert, ließ er in seinen Texten die Widersprüche im Lebensalltag der DDR spürbar werden. 1994 hielt er als Alterspräsident die Eröffnungsrede des zweiten gesamtdeutschen Bundestages und sprach sich ausdrücklich für einen gemeinsamen Weg und ein tolerantes Miteinander auf Augenhöhe aus, mahnte aber zugleich die Fehler an, die in den ersten Jahren der Wiedervereinigung gemacht wurden, um die geteilte Vergangenheit – und damit auch die Identität und Lebenswelt vieler DDR-Bürger – so schnell wie möglich aus den Köpfen und der Gesellschaft zu tilgen.
In der Regie von Christoph Werner, dem langjährigen Künstlerischen Leiter des Puppentheaters Halle/Saale, untersucht Wenn mich einer fragte ... mit dokumentarischen Mitteln und Puppenspiel das Verhältnis von Stefan Heym und Chemnitz. Der alte und der junge Heym kehren zurück und blicken in ihrer je eigenen Perspektive auf die Stadt und eine Lebensgeschichte, die voller Umbrüche, Widersprüche und Visionen steckt und doch eine gemeinsame ist. Was haben sich der Autor Heym und sein junges Ich zu erzählen? Und was hätten sich Chemnitz und der Mensch Heym heute zu sagen?
In Kooperation mit dem Programm neue unentd_ckte narrative des ASA-FF e.V.
Bilder zum Stückes
BilderVideomedien zum Stück
VideoInszenierungsteam des Stückes
InszenierungsteamRegie | Christoph Werner |
Ausstattung | Angela Baumgart |
Puppenbau | Hagen Tilp |
Video | Conny Klar |
Dramaturgie | Friederike Spindler |
Besetzung des Stückes
BesetzungPressestimmen zum Stück
PressestimmenDer „Kreuzer“ schreibt in Ausgabe 11/2018
(…) ist die Inszenierung auf der Ebene des Puppenspiels grandios. Dem alten Heym steht sein junges, hemdsärmeliges Alter Ego gegenüber. Beide diskutieren ihre biografischen Erlebnisse in Chemnitz. Hochgenau ist die Figurenführung im offenen Bühnenraum. Mit absolutem Realismus werden die Heyms bewegt. Noch die kleinste Geste stimmt. Surreale Manöver scheinen auf – wenn etwa der alte Heym von verkehrter Welt spricht, dreht er sich wie ein Rad einmal um sich selbst. Dann ist er aber wieder ganz realistisches Menschenabbild, das als lebendig gewordenes Material zum Publikum und sich selbst spricht. Eine vorzügliche Arbeit in der ostdeutschen Tradition des Ensemblepuppentheaters.
(…)
Der „Stadtstreicher“ schreibt in Ausgabe 11/2018
Ein wenig merkt man der Stückentwicklung (…) über Stefan Heym an, dass sie zwar langfristig geplant, dann aber doch von den aktuellen Ereignissen überrollt wurde.
Die Langfristigkeit erkennt man zum Beispiel an der Qualität der beiden Puppen: Ein junger und ein alter Stefan Heym treten verkleinert, aber lebensecht auf. Hagen Tilp, bekannt unter anderem für seine Figuren für die Kinderfernsehsendung ‚Siebenstein‘, sind hier zwei große Würfe gelungen (…).
Das Überrollen: Das beginnt bei Videoeinblendungen, bei denen die Schauspieler davon berichten, wie sie probten, während über ihnen Hubschrauber das Demonstrationsgeschehen in der Chemnitzer Innenstadt verfolgten. Und endet bei einer nicht ganz runden Szenenfolge. Doppelt gerahmt sollte diese biografische Erzählung zum Chemnitzer Ehrenbürger Stefan Heym wohl sein (…). Eine Art Prolog vorm Himmel bildet den Anfang und darin die Frage: ‚Wie lang soll einer das aushalten – diese Unendlichkeit?‘ Nach Ruhe sehnt sich der alte Heym – und am Ende wird er sie in der Badewanne finden. Den zweiten, allerdings nicht vollständigen Rahmen bildet die Idee, Heym als Berater und Botschafter für seine Heimatstadt Chemnitz zu engagieren. (…) Eine Reflexion über die Stadt und und ihre Geschichtsaufarbeitung hätte das werden können, doch die Idee verendet, bevor sie fliegen lernt und so bleibt die doppelte Rahmung eine anderthalbfache.
(…) Die Stärke: Das Aufkeimen der nationalsozialistischen Bewegung wird durch die Figuren reflektiert: das anfängliche Belächeln, das spätere Abwiegeln, der irgendwann fehlende Widerstand dagegen. In Videointerviews äußern sich dann auch die Schauspieler selbst: Wie groß sind die Parallelen ins Heute? Fühlen sie sich durch einen braunen Mob bedroht? Das wirkt überaus authentisch und macht dennoch etwas Sorge – weil einiges dann doch klingt nach: Belächeln, Abwiegeln, Hoffnung, dass alles nicht so schlimm kommen werde. Vielleicht, so denkt man sich, ist die Falle schon wieder zugeschnappt.
Doch soll man von Puppen- und Schauspielern auch nicht unbedingt tiefgehende politische Analyse erwarten, sondern vor allem gutes Puppen- und Schauspiel. Und das liefern die vier Spieler Claudia Acker, Tobias Eisenkrämer, Karoline Hoffmann und Sarah Wissner ohne Zweifel. Es kann begeistern, wie sie ihr Material zum Einsatz bringen – sei es der eigene Körper, seien es die beiden Heyms, die sie allein, zu zweit, zu viert zum Leben erwecken.
(…)