Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
Ein republikanisches Trauerspiel von Friedrich Schiller
In einer Fassung von Alexander Nerlich
Ein fataler Machtwechsel könnte bevorstehen: Missmut und Unzufriedenheit ziehen durch die Straßen. Auf der einen Seite will der greise Herzog Andreas Doria seinen tyrannischen Neffen Gianettino als seinen Nachfolger einsetzen. Auf der anderen Seite plant eine kleine Gruppe Republikaner die Verschwörung gegen diese Nachfolge. Der Gruppe fehlt jedoch die Schlagkraft, weil jeder nur persönliche Interessen verfolgt. Fiesco, Graf von Lavagna, könnte ein Hoffnungsträger sein, denn eigentlich vereint er in sich alles, was einen charismatischen Anführer einer Bewegung ausmacht: Er ist beim Volk beliebt und er hat Geld, um die Bewegung auch finanziell potent zu machen. Doch sein Lebenswandel wirft bedenkliche Fragen auf. Er inszeniert dubiose Feste, dient sich den Dorias an und er spielt auf der ganzen Klaviatur der Manipulation, er gestaltet „seine“ Wirklichkeit und er weiß mit den Erwartungen der anderen zu spielen. Das macht ihn zu einer schillernden Figur, die anziehend und abstoßend zu gleich ist. Aber er agiert nicht allein. Mit seiner Frau Leonore an der Seite bildet er ein strategisch-kluges Team, wie eine Art Spin-Doktor ist sie sein Schatten, um die Realität nach den eigenen Plänen zu gestalten – und die verheißen nichts Gutes, denn längst schon weht der Wind des Hasses durch Genua und das Volk lechzt nach Veränderung, es ist wund und verführbar, sich von einer starken Hand streicheln zu lassen.
Schiller hatte drei Enden konzipiert, bevor das Drama 1783 zur Uraufführung kam. In einem gibt sich Fiesco als Despot zu erkennen und wird ertränkt, in einem anderen bleibt er bekennender Republikaner und überlebt als Held. In der letzten Überarbeitung zeigt sich Fiesco abermals als Despot und findet den Tod durch den Dolch.
Bereits Schiller sah in Fiesco eine gefährliche, machtbesessene Gestalt, dennoch lässt er ihn zumindest mit dem Machtverzicht kokettieren. Der Fiesco unserer Tage kokettiert nicht mehr. Der Fiesco unserer Tage hat ein klares Ziel vor Augen: Die Machtergreifung mit allen Mitteln.
Stimmen
Der Machtmensch in der Revolte
Michael Bartsch | Nachtkritik | 01.02.2025
[Alexander] Nerlich […] bemüht für den Kontext keinerlei Erkenntniskatalysatoren. In der Industrieruine Spinnbau […] gibt es Klassik pur.[…] Unaufdringlich, aber wirksam hat Nerlich einen Demokratieexkurs in seine Textfassung eingebaut. Verglichen wird mit dem Tierreich, in dem "Dumme und Feige" keine Chance haben, weshalb das Volk sich stets dominante Herrscher wähle. […] Friedrich, der schillernde Große, hat wiederentdeckungswürdigen Klartext verfasst. In Chemnitz wird er ohne agitatorische Attitüden aufgegriffen. Man sieht in Fiesco einen Mann, der "in Ordnung bringen will", was für ihn und das Volk letztlich nur ein Spiel bleibt. Ein kulturhauptstadtwürdiger Politkrimi!
Fiesco: Ein Duo Infernale
Maurice Querner | Freie Presse | 02.02.2025
Gastregisseur Alexander Nerlich präsentierte […]seine Version des „Fiesco“ im Spinnbau, unterstützt von Thea-Hoffmann-Axthelm als Bühnenbauerin […] Und gerade das Bühnenbild ist Teil einer ganz starken und umjubelten Inszenierung. Nerlich hat den alten Schiller nämlich kräftig entstaubt und durchgeschüttelt. […] Alexander Ganz-Kuhl und Andrea Zwicky agieren […] furios als ein Duo Infernale vom Feinsten. […] Im Chemnitzer Intrigantenstadl Genua sind die „guten“ Charaktere rar gesät. Joseph Bundschuh glänzt in der Rolle des ziemlich verrückten Prinzen Doria. Sein Onkel als Noch-Regent verurteilt zwar seinen Nachfolger und wirft ihm Verrat an der Republik vor. […] Dirk Glodde spielt hier erneut toll auf. […] Es ist eine sehr fatalistische Deutung des Schiller-Stücks. Alexander Nerlich verweigert dem Publikum sogar den Tyrannenmord, der hier nur andeutungsweise in das Auditorium gestellt wird. Doch das kann auch als Plädoyer verstanden werden, den heutigen Feinden der Republik rechtzeitig die Stirn zu bieten, bevor es zu spät ist.