Die Vermessung der Welt
Nach dem Roman von Daniel Kehlmann
Bühnenfassung von Dirk Engler
FIGURENTHEATER OPEN AIR
Obwohl beide Zeit ihres Lebens daran arbeiten, die Welt zu durchdringen, können sie unterschiedlicher nicht sein: Während Alexander von Humboldt (1769–1859) den halben Erdball bereist, um diesen bis in die entlegensten Winkel zu durchmessen, stößt Carl Friedrich Gauß (1777–1855) vom Schreibtisch aus in die kosmischen Sphären der Unendlichkeit vor. Der eine – von adeliger Herkunft und ausgestattet mit den entsprechenden Beziehungen – reist mit nüchternem Blick und obsessivem Entdeckergeist ruhmreich auf die höchsten Berggipfel, in die verborgensten Erdlöcher oder über den Orinoco durch die Weiten Südamerikas. Der andere – aus ärmlichen Verhältnissen zum Mathematiker und Astronom herausgebildet – vollendet bereits in jungen Jahren sein wissenschaftliches Hauptwerk und springt selbst in der Hochzeitsnacht aus dem Bett, davon besessen, eine Formel zu vollenden. Als alternde Berühmtheiten lernen sich die beiden Vordenker anlässlich des Naturforscherkongresses 1828 in Berlin kennen und streitend schätzen. Die Neugier auf die Welt eint sie. Doch während Gauß sich nach dem frühen Tod seiner Frau Johanna fast gänzlich zurückgezogen und für den liberalen Geist seines Sohnes Eugen nur Verachtung übrig hat, muss Humboldt sich fragen, wer noch an seiner Seite steht und ob er wirklich jemals mehr gesehen hat als Gauß. Den Blick in ferne Weiten gerichtet, übersehen beide die Zeichen der neuen Zeit – und das katapultiert sie mitten hinein in die politischen und revolutionären Wirren der nachnapoleonischen Welt.
Daniel Kehlmann (*1975) nähert sich in Die Vermessung der Welt mit fiktiven und sich verschränkenden Erzählebenen den gegensätzlichen Biografien der beiden Männer an. Mit ganz unterschiedlichen Methoden ringen Humboldt und Gauß ihrer Welt Erkenntnisse ab, die nicht nur ihrer beider Lebenszeit überdauern werden – und Kehlmann zeichnet ihre Gratwanderung zwischen Erfolg und Scheitern, Größe und Vermessung humorvoll nach. In der Inszenierung von Kathrin Brune zieht das Figurentheater mit Gauß und Humboldt auch im Sommer 2024 wieder in den Garten des Kulturhauses Arthur ein.
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Deutsche Geschichte aus Seekisten erzählt
Sarah Hofmann | Freie Presse | 29.06.2022
Fluffige Weltvermessung
Andreas Herrmann | Dresdner Neueste Nachrichten | 02.07.2022
Ein furioser Ritt durch deutsche Vergangenheit in Zeiten komischer Könige und fremder Kaiser als Nachzeichnung der Berliner Kongressbegegnung anno 1828 zwischen Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß (…). Regie führt Schauspieldramaturgin Kathrin Brune mit dem als eingespielte Brigade funktionierenden Figurentheaterensemble. (…) Das Ganze spielt mit, auf und in einer wohldurchdachten und herrlich ökologisch anmutenden Kistenchaosbühne, die als 3-D-Puzzle-Turmwürfel wohl vier Meter Kantenlänge misst und immer wieder Überraschungen birgt - Thomas Rump trägt als Ausstatter maßgeblich zur Wirkung bei. Eine neue Erkenntnis der Inszenierung: Der berühmtere, weitgereiste weltmännische Preuße Humboldt ist eigentlich der Einsamere, der garstige wie zauselige Gauß derjenige, der im echten Leben geerdeter agiert, aber ohne Frau hilflos ist - und er hat mit seinem vermeintlich missratenen Sohnemann Eugen aus Zweitehe sogar einen kleinen Revoluzzer gezeugt. Ruhm und Ehre können Familie und Heimatscholle nicht wirklich kompensieren.