Farm der Tiere
Satirische Tierfabel nach George Orwell
STUDIOINSZENIERUNG
Die Tiere auf der Manor Farm haben es satt: Bauer Jones vernachlässigt sie und vertrinkt sein ganzes Geld. Bevor sie alle untergehen, versuchen es die Tiere daher mit einer Revolution. Inspiriert durch die Worte des alten Ebers Old Major und unter der Führung der Schweine Napoleon und Schneeball vertreiben sie Jones und übernehmen die Führung der Farm. Zunächst sind sie damit sehr erfolgreich. Die Farm erlebt Wohlstand und nach den Grundsätzen des Animalismus sind alle Tiere gleich. Doch so bleibt es nicht. Das Schwein Napoleon nimmt sich immer mehr für sich selbst – sodass weniger für die anderen bleibt. Denn manche Tiere sind scheinbar gleicher.
Orwell schrieb mit Farm der Tiere eine Fabel, die zunächst explizit die Geschichte der Sowjetunion vorführt. Konsequenterweise war das Buch daher auch im gesamten ehemaligen Ostblock verboten. Doch die Geschichte ist viel universeller, denn sie zeigt auf, dass auch die besten Ideale in die Katastrophe führen können, wenn die Tiere den Menschen zu ähnlich werden.
**Student der Filmuniversität Babelsberg "Konrad Wolf"
Digitales Programmheft
George Orwell erlebte die großen gesellschaftlichen Umbrüche der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und war als Journalist und Essayist prädestiniert dafür, sie zu beschreiben, auszuwerten und uns Zukünftigen zugänglich zu machen. Geboren wurde der Engländer Orwell als Eric Arthur Blair 1903 in Indien, denn seine Familie war Teil der britischen Kolonialverwaltung. Seine Schulzeit verbrachte er in England, kehrte dann aber als Polizist nach Burma zurück und war somit selbst ein Teil des Kolonialismus. Als er begann zu schreiben, fiktionalisierte er seine dortigen Erlebnisse und ließ schon hier sozio-politische Kommentare einfließen.
Zurück in Europa wurde Orwell bald von der kommunistischen Revolution in Russland beeinflusst. Er sympathisierte mit den Kommunisten und begann, sich mit der Klassengesellschaft auseinanderzusetzen. Er war zwar nicht reich, stammte aber durchaus aus den oberen Sphären der britischen Gesellschaft. Selbst bezeichnete er sich als „lower upper middle class“ – um ja nicht in den Verdacht zu geraten, ein abgehobener Snob zu sein. Für seine Bücher recherchierte er, indem er als Vagabund und Tellerwäscher durch das Land zog – um die Menschen da kennenzulernen, wo sie wirklich lebten. Schließlich schloss er sich im Dezember 1936 dem Spanischen Bürgerkrieg an. Schon im Mai 1937 wurde Orwell schwer verwundet und nachdem er sich erholt hatte, bekam er den Stalinismus am eigenen Leibe zu spüren: Zwar kämpfte er in einer kommunistischen Truppe, aber die Waffenlieferungen aus der Sowjetunion kamen zusammen mit politischen Säuberungen. Orwell geriet in Lebensgefahr und musste schließlich nach Frankreich flüchten.
In Spanien begann also seine Desillusionierung mit dem Sozialismus, vor allem durch seinen Einblick in die mittlerweile von Stalin geführte Sowjetunion. Das brachte ihn 1944 schließlich dazu, Farm der Tiere zu schreiben, eine wenig versteckte Allegorie der sowjetischen Geschichte, in der Stalin als das machtbesessene Schwein Napoleon auftaucht. Seine sozialistischen Freunde waren entsetzt, dass er der Sowjetunion und damit der Revolution den Rücken kehrte – die Verleger scheuten sich davor, die noch immer alliierten Sowjets vor den Kopf zu stoßen. So dauerte es noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges – bis zum Beginn des Kalten Krieges – bis Farm der Tiere ein Welterfolg werden konnte. Auch im Nachfolgewerk 1984 werden Machtmechanismen und autoritäre Systeme betrachtet, wenn auch nicht mehr so explizit auf die Sowjetunion bezogen. Orwell verlor nie den Glauben an den Sozialismus – aber jede Form von Autoritarismus lehnte er strikt ab.
Nach dem Erscheinen von 1984 war Orwells Karriere auf ihrem Höhepunkt. Doch die Lungenerkrankung, die ihn schon seit seiner Jugend plagte, holte ihn schließlich ein. Am 21. Januar 1950 starb Orwell in London an Tuberkulose.
(Agnieszka Jabłońska)
Die Utopie: eine ideale, aber nicht erreichbare positive Zukunftsvision der Gesellschaft, oft dargestellt als perfektes Land ohne Armut, Krankheit oder Konflikte. Und ihr Gegenteil, die Dystopie: das Sinnbild einer negativen Zukunftsvision, welche oft in Zusammenhang mit einem totalitären Staatssystem, Machtmissbrauch und Leid für die breite Masse steht.
George Orwells Farm der Tiere lässt sich in keine der beiden Kategorien gänzlich einordnen, vielmehr zeigt das Stück den Übergang einer Utopie in die Dystopie. Zu Beginn ist das Leben der Tiere auf der Farm miserabel: Sie schuften für einen gewalttätigen, betrunkenen Herrn, sie leiden Hunger und werden grausam geschlachtet, wenn sie nicht mehr von Nutzen sind. Dann eröffnet die Vision des alten Ebers Major den Tieren die Vorstellung einer Utopie: keine Unterdrückung durch die Menschen mehr, alle Tiere sind gleich. Mit diesen Idealen wird die Farm erobert und das idealistische Schwein Schneeball legt – mit dem Einverständnis aller Tiere – sieben Gebote fest. Diese Gebote sollen die versprochene positive Zukunft Wirklichkeit werden lassen. Sie beinhalten beispielsweise: Alle Vierbeiner sind Freunde und alle Zweibeiner Feinde, Tiere sollen niemals Tiere töten und am wichtigsten: Alle Tiere sind gleich. Im weiteren Verlauf des Stücks verfällt die Vorstellung der Utopie jedoch schnell: die Schweine Schneeball und Napoleon übernehmen die Führung der Farm und geraten dabei über jede wichtige Entscheidung in einen Konflikt. Schneeball wird von Napoleon verjagt und seine Gebote, die ein glückliches Leben sichern sollten, werden nach und nach von Napoleons Komplizen Quieker verändert, während Napoleon in seinem Machthunger danach strebt, der einzige Führer der Farm zu sein. Am Ende des Stücks schließt sich der Kreislauf zurück in die Dystopie, alle Gebote wurden verändert und missachtet, jede Art des Widerstands wurden von Napoleon und Quieker zerschlagen und wie am Anfang leiden die Tiere noch immer Hunger, werden unterdrückt und ausgenutzt. Es hat sich nichts verändert, außer dass die Unterdrücker nun Schweine anstatt Menschen sind.
Farm der Tiere zeigt das Scheitern utopischer Ideen durch den Herrschaftsanspruch einer kleinen Gruppe und die Passivität der Masse. Dadurch bestätigt sich die Utopie als wünschenswerter, aber nicht erreichbarer „Nicht-Ort“. Orwell mahnt, dass selbst aufrichtige Ideale und Ideen unter falscher Führung nicht immer das gewünschte positive Endergebnis haben.
(Emelie Berger)
George Orwell nannte sein berühmtes Buch über eine Revolution auf einem Bauernhof: Animal Farm. A Fairy Tale. Er bezeichnete es also als ein Märchen. Doch bei dem Begriff Märchen denken wir wahrscheinlich eher an etwas aus dem Repertoire der Brüder Grimm: Hexen, Prinzessinnen, verzauberte Jünglinge, gefährliche Wälder – und auch sprechende Tiere. Wir denken eher nicht an historisch präzise Allegorien auf die Geschichte der Sowjetunion. Wohl deshalb wird das Werk in deutscher Übersetzung oft als Fabel bezeichnet. Da der Begriff fable für Orwell auch zur Verfügung gestanden hätte, sollten wir uns aber vielleicht Gedanken darüber machen, warum er von einem Märchen sprach. Gibt es märchenhafte Elemente in Farm der Tiere?
Natürlich gibt es offensichtlich eine Menge sprechender Tiere, die nicht nur untereinander – von Schwein zu Esel – kommunizieren, sondern sich auch den Menschen verständlich machen können. Eine märchenhafte Verwandlung findet am Ende auch statt, wenn die Schweine den Menschen immer ähnlicher werden, sodass die anderen Tiere sie nicht mehr unterscheiden können. Doch in beiden Fällen handelt es sich weniger um Anzeichen eines Märchens, sondern es sind vielmehr notwendige Kniffe, um die Allegorie auszuerzählen. Wenn die Tiere nicht die gleiche Sprache sprechen, dann können sie auch keine gemeinsame Revolution planen. Stattdessen scheint die Bezeichnung „Märchen“ vielmehr ein Versuch zu sein, genau diese doch so offensichtliche Allegorie zu tarnen. Vielleicht wollte Orwell, dass das Buch als kleine Geschichte für Kinder abgetan wird, weil er schon ahnte, dass sie nicht mit allgemeinem Wohlwollen aufgenommen werden würde. Vielleicht wollte er aber auch deutlich machen, dass es sich trotz der historischen Parallelen nicht um ein kompliziertes Werk handelt, sondern dass es so einfach zu verstehen ist wie ein Märchen für Kinder. Vielleicht ist aber auch das Gegenteil wahr: Die Fabel als Genre mag ihm zu banal erschienen sein – auch Goethe wollte seinen Reineke Fuchs als Tierepos bezeichnet wissen.
An die Gepflogenheiten der Fabel hält sich Orwell zudem auch nicht. Denn auch dafür ist die Allegorie zu spezifisch (auch wenn sie natürlich allgemeingültig gelesen werden kann) und zu politisch. Es fehlen außerdem die klassischen Tiere der Fabeln (Fuchs, Rabe, Löwe …), deren festgelegte Charakteristika auf bestimmte menschliche Eigenschaften abgebildet werden. Stattdessen stehen die Tiere auf der Farm für bestimmte Menschen oder zumindest für bestimmte Gruppen von Menschen. Somit findet sich Farm der Tiere zwischen den Genres wieder – womit das Werk zu seinem Autor passt, der sich zwar selbst als Sozialist bezeichnete, von anderen Sozialisten aber gerade wegen Farm der Tiere als Verräter der Bewegung angesehen wurde.
(Agnieszka Jabłońska)
Stimmen
Von der Revolution zur Diktatur: „Farm der Tiere“ am Schauspiel Chemnitz
Grit Aurich | Freie Presse | 27.09.2025
Studierende des Schauspielstudios […] schlüpfen gekonnt in über zehn Rollen. Als Schweine, Katzen, Pferde, Kühe, Hühner und Menschen wechseln sie Kostüme, Mimik und Sprache – teils im Minutentakt. Die Rollen fordern höchste Konzentration und beeindrucken das Publikum mit Vielseitigkeit, die nie den Faden verliert und auch in den schnellen Wechsel stets klar bleibt. […] Das minimalistische […] ergänzt die Illusion einer Farm auf der kleinen Ostbühne perfekt. Der Stoff dient als Abgrenzung und zugleich als Projektionsfläche für das Schattenspiel, um perfide Absprachen, brutale Transporte und damit die nahende Tragödie zu erahnen. Als Regisseurin erzählt [Ulrike Euen] die Tragödie von Hoffen und Scheitern mit Wucht und macht die Verantwortung des Einzelnen deutlich. […] Stehende Ovationen waren ihr Lohn für eine gelungene Premiere, die lange nachhallt.