Atlas der abgelegenen Inseln
Eine theatrale Text-Sound-Collage nach dem Buch von Judith Schalansky
Ist die Insel das Paradies oder die Hölle?
Eine Schlittenfahrt bei -50°C durch gefrorenes Land. Unzählige schreiende Pinguine, die einen Seemann verschlucken. Eine Seekuh, die sich längst nicht mehr blicken lässt. Neptuns Blasebalg, der die Kulisse für die Untaten wird, die Menschen der Tierwelt und Natur zufügen. Ein wilder Dschungel, der einen Eindringling mit seiner gespenstischen Atmosphäre in die Flucht schlägt. Der Moment des greifbaren Sieges auf einer Insel im Nirgendwo, während in der Ferne der Krieg tönt. Tausend Krebse, die sich am Strand einer Insel ihren Weg bahnen oder Zeugen menschlicher Grausamkeiten werden. Eine Schatzsuche nach dem Glück im ewigen Sand am Ende der Welt … – Drei Spieler:innen graben sich durch die Geschichten, in denen Sehnsüchte und Träume, Fantasmen und Verdrängtes wie die Wogen des Meeres zu ihnen herangespült werden. Neugierig nähern sie sich an und streifen mit ihren Fingern durch die Atlanten. Einsam entdecken sie Insel um Insel, immer auf der Suche nach dem perfekten Ort. Doch das Paradies finden sie nicht. Die Welt ist endlos, begrenzt allein durch unsere eigene Vorstellungskraft, brutal entstellt durch unsere Taten und unentdeckt ist nur, was wir nicht kennen.
Mit „Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde“ untertitelt Autorin Judith Schalanksy ihren literarischen Atlas der abgelegenen Inseln, in dem sie Lebenswege, Erzählungen und Riten, Historie und Fiktion bruchstückhaft skizziert und als wimmelnden Kosmos aus Karten, Anekdoten, Zeitdokumenten, Mahnungen und Naturschauspielen miteinander verknüpft. Sie ist u. a. Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, schreibt Bücher und Theaterstücke, arbeitet als Gestalterin und gibt die Buchreihe Naturkunden heraus. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.
Regisseurin Karoline Hoffmann, Musiker Daniel Barke und ihr Ensemble nehmen sich eine kleine Auswahl aus Schalanskys Sammlung entlegenster Geschichten vor. In einem akustisch-visuellen Zusammenspiel bringen sie Sehnsüchte, Abgründe und Fernweh zum Vibrieren, jagen uns hier und da einen Schauer über den Rücken und lassen die Sprachpoesie der Vorlage vielstimmig klingen. Text, Geräusche, Bilder und Musik werden autonom, lösen sich auf oder kreieren neue spannungsvolle Erzählmomente – und lassen Raum für ganz eigene Assoziationen und Imaginationen; die Insel: Sehnsuchtsort oder Gefängnis?
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Sarah Hofmann | Freie Presse | 27.10.2021