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Wie ein Vogel im Käfig

Regisseurin Rahel Thiel im Gespräch mit Dramaturg Johannes Frohnsdorf (Auszug aus dem Programmheft)

JF         Charpentier verortet Louise im ausgehenden 19. Jahrhundert in einem klaren Milieu: Montmartre als Arbeiter- und Künstlerviertel, mit einer Titelfigur aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Du löst das Stück aus diesem Kontext und fokussierst sehr stark auf die Hauptfigur. Wie wird das Stück erzählt?

RT        Ich hatte neulich eine sehr niedliche Situation mit dem Kinderchor. Ich habe nachgefragt, wer sich die Handlung durchgelesen hat. Es kamen so zögerlich ein paar Meldungen, und eines der Kinder meinte: Es geht um eine Frau, die in einen Mann verliebt ist. Das ist natürlich erst einmal der Kern, dass es eine sehr menschennahe Handlung ist, die aber zwei Ziele verfolgt: die Geschichte zweier Menschen, aber dies zugleich als eine Liebeserklärung an Paris, zu erzählen. Damit verbunden ist eine bestimmte Temperatur einer Stadt, in einer sehr individuellen Lesart von Charpentier. Was ich daran als Deutung so interessant finde, ist, diese beiden Dinge in einem Widerspruch zueinander lesbar zu machen. Dafür brauche ich irgendwo ein Vehikel, um eine gewisse Kontroverse zu erzeugen, damit es nicht einfach geradeaus geht und zu eindimensional wird. Ich finde es zu platt, wenn am Ende Louise die Tür aufmacht, einfach rausgeht, und dann ist Schluss. Ich brauche da eine größere Fallhöhe. Weil das in der Musik von Anfang an drin ist, brauche ich auch eine Lesart, damit diese Fallhöhe eine gewisse Sichtbarkeit und Spürbarkeit für das Publikum bekommt. Wir haben die Behauptung aufgestellt, dass diese Liebesbeziehung eine reine Einbildung von Louise ist. Das war mir sehr wichtig, um die Psychologie des Stückes mehr hervorzuheben, und das ist die Idee, das Stück zu interpretieren.

JF         Was bringt die Titelfigur Louise dazu, in eine Fantasiewelt abzutauchen? Das hat ja etwas mit ihrem Elternhaus zu tun.

RT        Ja, ganz entschieden und sogar ausschließlich, und mit Paris, das in dieser Oper so viel Platz einnimmt, hat es erst einmal gar nichts zu tun. Die Problematik, die Louise umtreibt, könnte sich überall auf der Welt genauso stellen. Das ist eben das Schöne, dass es um Menschen wie du und ich geht, und da ist eine klare Konstellation: Ein Vater, eine Mutter und nur eine Tochter, und kein Geschwisterkind – das finde ich schon entscheidend. Dieses Kind ist in irgendeiner Weise überbehütet von den Eltern, die nicht akzeptieren, dass Louise ein Recht darauf hat, erwachsen zu werden. Das ist so im Stück gesetzt. Wir erfahren, dass die Eltern besonders streng sind. Die Frage ist, woher kommt diese Strenge, und wie ich es sehe, kommt sie aus einer großen Sorge heraus. Die Eltern haben schon eine gewisse Lebenserfahrung und sind schon eine Verbindung eingegangen. Wir wissen nicht, woher sie sich kennen, ob das vielleicht eine arrangierte Ehe ist oder ob es eine Zeit war, in der man sagt: ‚okay ich nehme halt den, damit ich nicht alleine bin.‘ Aber sie haben Angst, dass Louise ein ähnliches Leben führt wie sie, das ganz offenbar kein glückliches Leben ist. Daraus entstehen bestimmte innerfamiliäre Zwänge. Louise formuliert im vierten Akt das, was ihr im bisherigen Leben widerfahren ist, dass sie sich nämlich eingesperrt fühlt wie ein Vogel im Käfig. Sie sagt, dass sie lieber tot wäre, als in ihrem familiären Umfeld gefangen zu sein. Wir haben auf der Probe darüber gesprochen, wie krass das ist. Man ist ja nur auf der Welt, weil man Eltern hat.

[…]

Louise, 4. Akt

Père
Louise! Regarde-moi! Ne suis-je plus ton père? N’es-tu plus l’enfant qu’autre fois j‘ai bercée dans mes bras? N’es-tu plus la fille de mon sang?

Louise
La belle image que l’enfant désire, la grâce qu’elle vous demande, c’est de n’être plus, comme un oiseau mis en cage, privée de liberté … et emprisonnée par votre aveugle tendresse qui s’imagine que je puisse être heureuse à vivre ainsi qu’une captive dans l’âge où sans la liberté la vie est pire que la mort!

Vater
Louise! Schau mich an! Bin ich nicht mehr dein Vater? Bist du nicht mehr das Kind, das ich einst in meinen Armen wiegte? Bist du nicht mehr mein Fleisch und Blut?

Louise
Das schöne Bild, das das Kind sich wünscht, der Gefallen, um den es euch bittet, ist, nicht mehr zu sein wie ein Vogel im Käfig, der Freiheit beraubt … und eingesperrt durch eure blinde Zärtlichkeit, die sich einbildet, ich könnte glücklich sein, wenn ich als Gefangene lebe, in einem Alter, in dem das Leben ohne Freiheit schlimmer ist als der Tod!

 
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